Geschäftsbericht 2024

Konzernlagebericht

Beschaffung

Die zentrale Aufgabe der Beschaffung ist es, entlang der Dimensionen Effizienz, Nachhaltigkeit und Resilienz den Unternehmenserfolg mitzusteuern. Das Jahr 2024 war insbesondere davon geprägt, die Versorgung mit Fahrzeugteilen abzusichern und die Kosten zu optimieren, um einen Beitrag für das Unternehmensergebnis zu leisten.

Beschaffungsstrategie

Die Beschaffungsorganisationen im Volkswagen Konzern leisten einen integralen Beitrag zur Konzernstrategie. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, das Beschaffungsnetzwerk zu stärken und die Zusammenarbeit über Marken und Regionen hinweg zu intensivieren. Durch die Nutzung globaler Synergien ergeben sich zudem Potenziale für eine langfristige Reduzierung der Kosten für Rohstoffe, Bauteile und Dienstleistungen.

Die Häufigkeit, Dauer und Intensität von Krisen und die damit verbundenen Störungen der Lieferketten sind seit Beginn der 2020er-Jahre deutlich gestiegen. Als Konsequenz daraus wollen die Beschaffungsorganisationen gemeinsam mit internen Schnittstellenpartnern sowie Lieferanten die Resilienz in der Versorgung stärken. Das Etablieren von Konzepten und Werkzeugen sowie das Bereitstellen zusätzlicher Kapazitäten für Strategie- und Risikoanalysen sollen hierbei ein vorausschauendes und vollumfängliches Monitoring der Lieferketten entlang definierter Kriterien, wie politischen Einflussfaktoren, wirtschaftlichen Entwicklungen oder Umweltrisiken, ermöglichen.

Die Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität verlangt von den Beschaffungsorganisationen auch eine Anpassung ihres Zulieferernetzwerks. Die Zusammenarbeit mit diesen Lieferanten soll im Rahmen strategischer Partnerschaften individuell gestaltet werden, wobei die Transformation als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden wird. Der Ausbau von Partnerschaften ist generell ein weiteres Schwerpunktthema in der Beschaffung, sowohl intern in Form von marken- und fachbereichsübergreifender Zusammenarbeit als auch bezogen auf externe Lieferanten des Volkswagen Konzerns. Das Fundament für alle strategischen Maßnahmen bilden dabei auch die Digitalisierung und effiziente Prozesse. Insbesondere die Nutzung einer neuen digitalen Zulieferplattform und des zukünftig zentralen Daten-Ökosystems Catena-X bildet die Voraussetzungen für datengesteuerte Wertschöpfungsketten und ist Kernpunkt dieses Handlungsfeldes.

Elektromobilität

Die technologische Weiterentwicklung schreitet rasant voran. Zentrale Aufgabe der Beschaffung ist es, die sich ändernden Bedarfe nachhaltig und kosteneffizient abzusichern. Nachhaltiges Handeln, transparente Lieferströme sowie energie- und CO2-optimierte Lieferketten sind dabei wesentliche Bestandteile unserer Auftragsvergaben. Unsere Partner begleiten wir mit einer aktiven Steuerung der Lieferantentransformation von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu vollelektrischen Fahrzeugen sowie mit einer nachhaltigen Reduzierung der CO2-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette. Um unserem Unternehmen eine führende Kostenposition zu verschaffen, bündeln wir weltweite Bedarfe aus den Märkten Europa, Nord- und Südamerika und Asien-Pazifik in ganzheitlichen Konzernvergaben. Zur Reduzierung wirtschaftlicher und geopolitischer Risiken achten wir auf diversifizierte Lieferketten in Verbindung mit einer Zwei-Lieferantenstrategie sowie der Lokalisierung des Zuliefererportfolios für alle Kernkomponenten unserer vollelektrischen Fahrzeugflotte.

Digitalisierung der Versorgung

Wir arbeiten daran, eine komplett digitalisierte Lieferkette umzusetzen. Sie soll uns dabei unterstützen, die Versorgung abzusichern, konzernweit Synergien zu heben und Transparenz zu schaffen. Dafür schaffen wir eine gemeinsame Datenbasis und nutzen innovative Technologien, die eine effiziente, vernetzte Zusammenarbeit in Echtzeit ermöglichen – im Konzern wie auch mit unseren Partnern. Im Bereich Beschaffung sollen Transaktionen mit unseren Lieferanten zukünftig standardisiert und – wo möglich – automatisiert werden, um nicht nur Transaktionskosten zu reduzieren, sondern auch Geschäftsprozesse zu beschleunigen. Hierbei ist auch die Einbindung von Catena-X, dem Datennetzwerk der Automobilindustrie, ein wichtiger Baustein. Mögliche Versorgungsrisiken sollen frühzeitiger identifiziert und entsprechende Maßnahmen und Alternativen gemeinsam schneller abgeleitet werden können. Mit der Digitalisierungsstrategie der Beschaffung beheben wir die Schwächen der IT-Systemlandschaft innerhalb der Beschaffung und steigern die Effektivität, Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Organisation. Die neue IT-Landschaft der Beschaffung für Produktions- und Allgemeines Material befindet sich im konzernweiten Roll-out und wurde bereits in einigen Marken implementiert.

Struktur der wichtigsten Einkaufsmärkte

Die Beschaffung des Volkswagen Konzerns steht in der Verantwortung, kosteneffiziente, resiliente und nachhaltige Lieferketten sicherzustellen. Die Beschaffung ist global organisiert und in den wichtigsten Einkaufsmärkten präsent. Neben lokalen Gremien- und Entscheidungsstrukturen werden die Marken und Regionen aus den Bereichen der Konzern Beschaffung geführt. Dies hilft uns einerseits bei der gemeinsamen Umsetzung von Kostenpotenzialen und andererseits bei der Beherrschung von Risiken. Durch die organisierte Vernetzung der Beschaffungsorganisation in den Marken wollen wir in der Lage sein, konzernweite Synergien zu heben und Produktionsmaterial, Sachinvestitionen und Dienstleistungen weltweit in der geforderten Qualität und zu bestmöglichen Konditionen einzukaufen. Zusätzlich zu den Beschaffungseinheiten der Marken betreibt die Beschaffung Regionalbüros in strategischen Einkaufsmärkten. Im Beschaffungsverbund werden dort stetig neue und lokale Lieferanten ermittelt und qualifiziert.

Supply Chain Management der Beschaffung

Innerhalb des Supply Chain Managements der Beschaffung fokussieren wir uns darauf, die Versorgung in Anlaufphasen und im Seriengeschäft abzusichern. Dies umfasst die Begleitung der Industrialisierung bei unseren Lieferanten, die Serienüberwachung sowie das Management von Versorgungskrisen, die zum Beispiel aufgrund von geopolitischen Krisen oder durch Naturereignisse auftreten können. Mit der Einführung des strategischen Halbleitermanagements hat sich der Volkswagen Konzern neu ausgerichtet. Somit unterhält der Volkswagen Konzern direkte Geschäftsbeziehungen mit strategisch relevanten Halbleiterherstellern und nimmt direkten Einfluss auf die Auswahl der Komponenten für die Elektronikarchitektur. Ziel dieser Aktivität ist die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Konzern-Produktportfolio sowie die Versorgungsabsicherung der Kernkomponenten auf Halbleiterebene.

Bereits in der frühen Phase neuer Projekte führen wir Audits durch, um die Versorgung durch unsere Lieferanten abzusichern. Des Weiteren erfolgt eine Begleitung der Kaufteile entlang der einzelnen Projektmeilensteine bis zum Produktionsstart. Dabei fordern insbesondere komplexe Bauteile immer wieder eine Vor-Ort-Begleitung durch unser Lieferantenmanagement. Abschließend erfolgt eine Abnahme der Produktionskapazitäten, um den Serienanlauf der Fahrzeuge in unseren Werken zeitgerecht zu ermöglichen.

Darüber hinaus erfolgen regelmäßige Überprüfungen im laufenden Serienbetrieb, beispielsweise bezüglich eines fortlaufenden Bedarfs- und Kapazitätsabgleichs oder möglicher Kapazitätsanpassungen bei den Lieferanten. Hierdurch wird auch die Kapazität der Lieferanten bei der Verwendung von bestehenden Bauteilen in Neuprojekten abgesichert.

Komplexen Herausforderungen entlang der Lieferkette können wir durch unsere etablierte Krisenmanagementstruktur und das weltweite Lieferantennetzwerk entgegenwirken. Damit können wir auf eine Vielzahl von Standorten und Technologien zurückgreifen. Durch die bereichsübergreifende Arbeit zwischen Beschaffung, Qualitätssicherung, Entwicklung, Produktion und Logistik konnten drohende Verluste durch Versorgungsrisiken weitgehend vermieden sowie in reaktiven Fällen die Produktionsfähigkeit aufrechterhalten werden.

Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen

Grundlage erfolgreicher Geschäftsbeziehungen mit unseren Lieferanten der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette bilden die Achtung der Menschenrechte sowie die Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards und ein aktiver Umweltschutz. Diese Nachhaltigkeitsstandards sind in den „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern (Code of Conduct für Geschäftspartner)“ definiert, die diese bei Vertragsabschluss verbindlich bestätigen müssen. Um unsere Anforderungen des Code of Conduct für Geschäftspartner auch in die tiefergelagerte Lieferkette weiterzureichen, verpflichten wir unsere Lieferanten, unsere Anforderungen an ihre direkten Geschäftspartner weiterzureichen. Das Sustainability-Rating (S-Rating) ist ein konzerneinheitliches Instrument, mit dem der Grad der Einhaltung dieser Nachhaltigkeitsanforderung des Volkswagen Konzerns von direkten Lieferanten mit einem hohen Nachhaltigkeitsrisiko in den Bereichen Umwelt, Soziales und Integrität gemessen und bewertet wird. Das S-Rating basiert auf den Nachhaltigkeitsanforderungen des Code of Conduct für Geschäftspartner und ist seit 2019 vergaberelevant. Die Relevanz eines Lieferanten für dieses Rating ergibt sich unter anderem durch die Unternehmensgröße oder die Risikoexposition, die aus der Art der Dienstleistung abgeleitet wird.

Im Rahmen des S-Rating ermitteln wir den Grad der Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen des Volkswagen Konzerns mithilfe eines standardisierten Fragebogens zur Selbsteinschätzung – dem „Self-Assessment-Questionnaire“ sowie risikobasiert durch Audits. Bis zum Ende des Berichtsjahres lagen 14.709 S-Ratings für Lieferanten vor. Der Umsatzanteil der direkten Lieferanten mit positivem S-Rating entspricht einem Anteil von 83 % des Gesamtbeschaffungsvolumens. Sowohl die Validierung des Fragebogens als auch die Durchführung der Audits erfolgen durch ausgewählte Dienstleister. Erfüllt ein Lieferant unsere Anforderungen zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards nicht, so ist er grundsätzlich nicht vergabefähig. Die Verknüpfung von Vergabeentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien ist einer der stärksten Hebel, um diese durchzusetzen. Auf bestehende Nachhaltigkeitsrisiken und -verstöße, auch in der tieferen Lieferkette, reagieren wir mit der systematischen Definition und Umsetzung von Maßnahmen, um diese zu minimieren oder abzustellen. Um eine kontinuierliche Lieferantenentwicklung zu ermöglichen, führen wir mit unseren Lieferanten themenspezifische Nachhaltigkeitstrainings und -workshops an ausgewählten Standorten oder online durch und bieten web-basierte Trainings an. Im Berichtsjahr wurden 9.818 Lieferanten entsprechend geschult.

Im Bereich Dekarbonisierung verfolgt der Volkswagen Konzern das Ziel, kontinuierlich über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs Treibhausgasemissionen zu vermeiden oder zu reduzieren. Insbesondere die Transformation hin zur Elektromobilität verschiebt den Handlungsbedarf von der Nutzungsphase in die Lieferkette und Herstellung von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und bekennen uns zum Pariser Klimaschutzabkommen. Im MEB haben wir unter anderem die Nutzung von regenerativer Energie bei Zellherstellern vertraglich verankert. Bei neuen Fahrzeugprojekten werden die CO2-Emissionen in Zukunft zu einem technischen Merkmal für relevante Bauteile für den Volkswagen Konzern. Unsere Lieferanten erhalten demnach verbindliche CO2-Ziele, deren Einhaltung zu jeder Zeit nachweisbar sein muss. Ein Beispiel betrifft die neue SSP, bei der die Batterien mit einem CO2-Grenzwert versehen sind. Um diese Werte erreichen zu können, müssen die Lieferanten Maßnahmen in ihren eigenen Produktionsprozessen und Vorlieferketten umsetzen, beispielsweise den Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom. Mit Maßnahmen wie diesen soll der CO2-Fußabdruck vieler Elektrofahrzeugmodelle gesenkt werden. Bei den ID.-Modellen setzt die Marke Volkswagen Pkw weitere nachhaltige Bauteile ein, darunter Batteriegehäuse und Felgen aus CO2-reduziertem Aluminium. So soll die CO2-Bilanz der ID.-Familie bis 2025 um rund zwei Tonnen je Fahrzeug verbessert werden.

Im Rahmen unseres nachhaltigen Lieferantenmanagements engagiert sich der Volkswagen Konzern auch für den Schutz derjenigen Gruppen, die entlang der vor- und nachgelagerten Lieferkette durch negative Auswirkungen betroffen sein können. Um in diesem Zusammenhang mehr Wirkung zu erzielen, haben wir das Human-Rights-Focus-System (HRFS) eingeführt. Mit dem HRFS identifizieren und bearbeiten wir Themen, die mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken einhergehen können und einer tiefergehenden Analyse bedürfen. Ziel ist es, auf diese Weise geeignete Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu implementieren, die die vielfältigen und oft strukturellen Ursachen von Menschenrechtsverletzungen berücksichtigen können. Um den teilweise umfangreichen Risiken in den tiefergelagerten Rohstofflieferketten zu begegnen, setzten wir 2024 unsere Aktivitäten im Rahmen des Raw-Materials-Due-Diligence-Managementsystems weiter um. Das Managementsystem umfasst derzeit 18 Hochrisikorohstoffe, zu denen risikobasiert spezifische Maßnahmen zur Identifikation, Bewertung und insbesondere Minderung von Nachhaltigkeitsrisiken eingesetzt werden. Für unsere Batterielieferanten sind Transparenzanforderungen eine wesentliche Grundlage des verantwortungsvollen Rohstoffbezugs. Im Zuge dieser vertraglichen Anforderungen für Neuvergaben verlangen wir zum Beispiel die Offenlegung der gesamten vorgelagerten Lieferkette von unseren Batterielieferanten.

Modularer E-Antriebs-Baukasten (MEB)
Baukastensystem für die Herstellung von Elektroautos. Der MEB legt die Parameter für Achsen, Antriebe, Hochvolt-Batterien, Radstände und Gewichtsverhältnisse fest, damit ein Fahrzeug optimal die Anforderungen der Elektromobilität erfüllt. Im Jahr 2020 startete die Produktion der ersten Fahrzeuge auf Basis des MEB in Serie.
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Rating
Systematische Bewertung von Unternehmen im Hinblick auf ihre Bonität. Das Rating wird durch Bewertungsstufen ausgedrückt, die die verschiedenen Rating-Agenturen unterschiedlich definieren.
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Scalable Systems Platform (SSP)
Die Scalable Systems Platform (SSP) ist eine zukunftsorientierte und wettbewerbsüberlegene Mechatronikplattform für elektrisch angetriebene und volldigitalisierte Fahrzeuge auf Basis einer einheitlichen Software-Architektur. Innovative Technologien und Skalierbarkeit ermöglichen hohe Synergien vom Kleinstwagen bis zur Oberklasse mit der erforderlichen Produktdifferenzierung zwischen den Markengruppen Volumen, Premium sowie Sport & Luxury bei gleichzeitig verringertem Investitionsbedarf.
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